Best Practice aus Aarhus

Gemeinsam mit den Abgeordneten der Grünen Bürgerschaftsfraktion Linus Görg, Michael Gwosdz, Lisa Kern, Christa Möller-Metzger, Gudrun Schittek und Peter Zamory ging es mit dem Zug auf Delegationsreise nach Aarhus.
Mit dem Ziel, Best-Practice-Beispiele im Sozial- und Gesundheitsbereich aus Aarhus mit nach Hamburg zu bringen. Bei vielen Gesprächen, Vorträgen, Führungen und Besichtigungen von und mit Organisationen, öffentlichen Einrichtungen und der dortigen Kommunalverwaltung haben wir einige interessante Ideen für unsere politische Arbeit mitnehmen können. 


Ihr wollt mehr dazu wissen? Hier habe ich für Euch ein paar der Eindrücke aus Aarhus, die für mein Resort freiwilliges Engagement relevant sind, zusammengefasst.

Selbst in einem Staat wie Dänemark, indem der Spitzensteuersatz bei 56% liegt, und die Erwartungshaltung der Bürger*innen an das dortige staatliche Wohlfahrtsystem sehr hoch ist, sind auch im Sozial- und Gesundheitsbereich zivilgesellschaftliche Strukturen und freiwilliges Engagement wichtig.


Aarhus, die zweitgrößte Stadt in Dänemark, ist eine der modernsten Europas und insbesondere im sozialen Sektor extrem gut entwickelt. Die Stadt Aarhus hat bereits im Jahr 2018 die Auszeichnung „Europäische Freiwilligenhauptstadt“ erhalten. Diese Auszeichnung wird jährlich an jene europäische Stadt verliehen, die besonders erfolgreich in Förderung und Unterstützung von Freiwilligenarbeit ist. Der Titel würdigt, was die Stadt und die dort lebenden Menschen im freiwilligen Engagement und Ehrenamt leisten. Durchgeführt wird die Preisverleihung von dem Brüsseler Centre for European Volunteering (CEV) mittels einer Jury aus Expert*innen. Bewerben können sich alle Städte der Europäischen Union.

Mit diesem Preis wird die Freiwilligentätigkeit auf lokaler Ebene gefördert, da die Stadtverwaltungen Partnerschaften mit u.a. Freiwilligenzentren und Freiwilligenorganisationen stärken, das freiwillige Engagement und den Einfluss von Freiwilligen würdigen und somit das freiwillige Engagement in der Stadt eine besondere Wertschätzung und Sichtbarkeit erhält.

Um hierzu detailliertere Informationen zu erhalten habe ich mich mit Expert*innen der Stadtverwaltung und beteiligten Organisationen vor Ort getroffen.
Und konnte erfahren, dass die Stadt Aarhus im Rahmen dieses Titels ein Jahr lang verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten organisiert hat. Dazu gehörten unter anderem Informationsveranstaltungen, Workshops und Netzwerktreffen für freiwillig Engagierte Bürger*innen und gemeinnützige Organisationen.

Der Planungsprozess für die Freiwilligenhauptstadt verlief erfolgreich – und zwar in Co-Kreation zwischen der Stadt Aarhus, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Partner*innen. Es entstanden Engagement-Projekte mit Mehrwert für die Stadtgesellschaft, die teilweise noch immer wirken. Der Prozess rund um den Preis gab dem freiwilligen Engagement große Aufmerksamkeit und den Menschen, die sich freiwillig Engagieren Wertschätzung und Anerkennung. Zudem wurden die wichtigsten Erkenntnisse, zum Umgang, gezielteren Förderungen und den richtigen Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement im Nachhinein in einem Bericht festgehalten. Wie es scheint, ein voller Erfolg.

Zu Besuch im Gemeindehaus Folkestedet (Aarhus) mit Lisa Kern und Christa Möller-Metzger
Zu Besuch im Gemeindehaus Folkestedet (Aarhus) mit Lisa Kern und Christa Möller-Metzger


Eines dieser Erkenntnisse fand ich besonders interessant: Mehr Raum für Vereine und Initiativen des freiwilligen Engagements durch neue Nutzungskonzepte, ganz im Sinne der Sharing Economy.

„Sharing Economy“ – wörtlich übersetzt „Wirtschaft des Teilens“ – heißt genau das. Die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern mittels Teilen, Tauschen, Leihen, Mieten oder Schenken. Durch das geschickte Teilen von Ressourcen, Einrichtungen und Wissen kann Vorhandenes effizienter verteilt und somit mehr genutzt werden – von diesem Konzept kann natürlich auch die Zivilgesellschaft stark profitieren. Ein Beispiel aus der Praxis hierfür habe ich Euch aus Aaarhus mitgebracht:

Wie in den meisten Großstädten sind auch in Aarhus Räumlichkeiten ein knappes Gut und insbesondere kleine Initiativen und Vereine haben Schwierigkeiten, geeignete Räume für ihre Aktivitäten zu finden und / oder zu bezahlen.

In Aarhus gibt es überall in der Stadt verteilt eine Vielzahl an Gemeindehäusern, die jedoch nur innerhalb der regulären Öffnungszeiten für die Zivilgesellschaft zugänglich waren. Es gab also Raumknappheit auf der einen Seite, nicht oder nicht vollständig genutzte Flächen auf der anderen Seite. Da alle Formen von freiwilligem Engagement zu einer starken Zivilgesellschaft beitragen, wollte die Stadt Aarhus mehr Raum dafür ermöglichen. Und hat das auch geschafft – mittels dem Grundsatz der Sharing Economy.

Die Räumlichkeiten von den Gemeindehäusern werden mittlerweile von hunderten Clubs, Vereinen und Initiativen genutzt – wenn Räume tagsüber nicht belegt sind oder außerhalb der regulären Öffnungszeiten. Die Benutzung der Räumlichkeiten ist kostenlos, unbürokratisch und niederschwellig.
Nach einer Einführung durch freiwillig Engagierte über die Verwendung der Räumlichkeiten und zu den festgelegten Verhaltensrichtlinien (Code of Conduct), bekommen Vereine und Initiativen eigene Schlüssel zu den Räumlichkeiten. Mit einem online Buchungssystem können mittlerweile über 500 Vereine die Räume der vielen Gemeindezentren auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten nutzen. Dieses Konzept funktioniert auf Vertrauensbasis und das ziemlich erfolgreich.

Für mich ist es wichtig, den Umgang mit Problemen, wie dem Mangel an Raum aus anderen Perspektiven zu betrachten. Diese Lösungsansätze aus Aarhus geben uns Inspiration und Ideen für Hamburg. Ich bin gespannt welche Ideen und Ansätze aus Aarhus wir auch in Hamburg passend umsetzen können. Darauf freue ich mich und halte euch natürlich auf dem Laufenden.

Euer Yusuf